"Greek Language and Civilization
Lessons
for [Refugee and Immigrant] Women
of Greek or Foreign Descent"
organized
by the
Historical Archive Section
of the Lyceum Club of Greek Women
(Athens,
since 1998). Text and images: Anna Mihopoulou (M.A. in Women's Studies, lecturer, researcher, writer).
Kallirrhoe Parren
The
Lyceum Club of Greek Women (LCGW) was founded in 1911 by Kallirrhoe Parren
(born Siganou at Amari, Rethymnon, Crete), the first prominent Greek feminist, publisher
of Efimeris ton Kyrion (The Ladies Newspaper, 1887-1917). The
establishment of the LCGW in Athens was soon followed by the foundation of numerous
annexes in Greece and abroad.
Parren, a first wave feminist,
demanded full education and paid jobs for women
and contributed, along with
other socially active ladies of the time,
to establishing numerous
institutions supporting women and the socially deprived.
Inspired by foreign feminist
initiatives, in 1897 she founded
the Union of Greek Women,
and its School of Home
Economics,
and in 1911 the LCGW.
The
program of the Lyceum aimed to promote women’s solidarity for the social advancement
of their gender, but also for the preservation of Greek traditions and culture
(in time, its exceptional performances of traditional Greek dances,
demonstrating the variety of traditional music and costumes, have become its
most recognized activity).
From
the start, and for a period of several decades, besides offering further
education to its mostly middle- and upper-class members, the LCGW provided also
for the “less privileged” women, organizing free Sunday school lessons in many
Athenian neighborhoods, as well as evening vocational training courses – in
1937 it received an Athens Academy award for its contribution to the battle
against illiteracy.
Evening Course for Destitute Mothers, at the central building.
The
lessons stopped early in the 1980s, since the educational level of women had
reached and surpassed that of men in Greece.
In
1998 the members of the LCGW Historical Archive Section, having studied documents
on the organization’s educational history, and in view of the immigrant influx that
had appeared since the beginning of that decade, organized the free of charge “Greek
Language and Civilization Lessons for [Refugee and Immigrant] Women of Greek or
Foreign Descent”, at the Antonopoulou Megaron (Alexandras avenue 4), where it
is housed.
Since
then, 24 in
all volunteer teachers have offered classes in 4 different levels, and the approximately
3.000 registrations of women, coming from more than 60 countries,
have attested to their interest –and need– for courses on the language, history
and culture of the land where they live and work.
Each
class offers one 3hour lesson per week, since many of the students work and
have only one free afternoon.
None
of the available language methods addresses fully the particular circumstances
of the program; thus, the books used at the four different levels come from
four different series, and the teachers prepare and distribute additional
material in photocopies.
Students
are also offered, when possible, guided tours to museums, or attend theatrical
plays escorted by their teachers.
A
short, but moving celebration is organized at the central LCGW building in
June, where each class presents examples of its work and students are given a certificate
stating that they studied Greek language and civilization during the particular
academic year (no evaluation or level is mentioned).
Each
year students of the advanced level are offered extra coaching if they wish to
take the exams and obtain the diploma of the University of Athens Centre for the
Greek Language – up to now, about 120 women have taken the exams, all of them
obtaining high scores.
The
LCGW Historical Archive Section has also organized a number of meetings about
the Greek language and culture instruction for refugees and immigrants, inviting
other institutions and organizations to present their work.
In
2013, with the support of the General Secretariat for Equality, it issued a
short anthology of texts written by students of its classes, under the title Thelo ki ego na milao ellinika… (I, too, want to speak Greek…, Anna
Mihopoulou ed.); the booklet aims to serve as a class reader, but also as a
means of inter-cultural communication with the general public.
Greece
has opened for us a window, a
window through which a
sun lit our hearts, that
we needed so much…
(Letzte Aktualisierung: 19.08.2020.)
"DAS EIGENE SCHWEIGEN - DIE FREMDEN STIMMEN" TEXT: MARIA CHRISTEN-KONSTANTINIDIS
TRAGISCHE MASKE. AUTOR: EDWARD DODWELL. WIKIMEDIA COMMONS, PUBLIC DOMAIN.
"Das eigene Schweigen, die fremden Stimmen"
In
dieser Arbeit wird das Thema der Identität aus poststrukturalistischer
Sicht aufgegriffen. Als Analysebeispiel dient der Film "Persona" von
Ingmar Bergman. Die Hauptfrage lautet: Warum wird das professionelle
Verhältnis zwischen Elisabet Vogler und Alma zugunsten einer
Verschmelzung von Identitäten überschritten?
Die Analyse
konzentriert sich auf die Protagonistinnen in ihrem Verhältnis
zueinander. Als theoretische Grundlage dieser Arbeit dienen
hauptsächlich die Werke "Das kulturelle Gedächtnis" von Jan Assmann,
"Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung" und "Die Macht der
Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen" von Judith Butler,
"Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit" von Michel Foucault,
"Fremde sind wir uns selbst" von Julia Kristeva. Die oben erwähnten
Werke liefern Begriffe, die für diese Arbeit von zentraler Bedeutung
sind. Als Beispiele hierfür sind die Begriffe "individuelle Identität"
(Bewusstwerdung der Persönlichkeit) und "kollektive Identität" (soziale
Rollen) von Jan Assmann sowie der Begriff "Subjektivation" (Prozess des
Unterworfenwerdens durch Macht und Subjektwerdung zugleich) von Judith
Butler zu nennen.
"Persona" erscheint im Jahr 1966. Ein
sparsamer Film, der mit fünf Darstellern auskommt und an ein Kammerspiel
erinnert. Realität und Phantasie verschmelzen in "Persona" zu einer
neuen poetischen Wirklichkeit. Die Hauptrollen besetzen Liv Ullmann
(Elisabet Vogler) und Bibi Andersson (Alma), zwei wichtige, langjährige
Mitarbeiterinnen von Bergman, die in vielen seiner Filme mitspielen.
In
Kapitel 1 werden einige theoretische Begriffe erklärt, soweit dies zum
Verständnis der Arbeit erforderlich ist. Dieses Kapitel wird in sieben
thematische Abschnitte gegliedert: Sprache, Theater,
Identität-Subjekt-Subjektivation, Begegnung mit dem Anderen-Anerkennung,
Sexualität-Geständnis, eigen/heimlich-fremd/unheimlich,
Persona-Prosopion-Maske.
In Kapitel 2, Abschnitt I, wird das
Wesentliche der Handlung wiedergegeben. In Abschnitt II werden die
Protagonistinnen in ihrem Verhältnis zueinander dargestellt. In
Abschnitt III werden einige Aspekte der Filmsprache Bergmans kurz
erläutert. In Abschnitt IV werden die Schlussfolgerungen, die sich aus
der Analyse ergeben, präsentiert.
Homage an Hannah Arendt: Vita Activa. Fünftes Kapitel. Das Handeln.
I »Ohne Gleichartigkeit gäbe es keine Verständigung […]« (S.213). II »Ohne Verschiedenheit […] bedürfte es weder der Sprache noch des Handelns […]« (S.213). III »[…] jede Bestimmung [ist] eine Negation, [die] ein Anders-als mitaussagt […]« (S.214). IV »[…] [dies ist die] allgemeinste Besonderheit, die anzeigt, daß wir Seiendes überhaupt nur im Plural erfahren […]« (S.214).
Die allgemeinste Besonderheit von etwas sein,
bedeutet, daß es eine noch allgemeinere Besonderheit nicht geben kann,
von welcher die in Frage stehende Besonderheit mitausgesagt werden
könnte. Die allgemeinste Besonderheit des Seienden ist eine
Besonderheit, die allem Seienden anhaftet; eine Besonderheit, über die
sich also letztendlich alles, dem ein Sein zukommt, pauschalisieren
läßt. Wie kann aber etwas, das pauschal von allem Seienden ausgesagt
wird, eine Besonderheit sein, die ja gemäß ihrer Bedeutung einem
gesonderten und nicht einem pauschalen Sein zukommen müßte? Dazu später.
Die allgemeinste Besonderheit des Seienden ist gemäß Hannah Arendt, daß
seine Bestimmung zugleich immer auch bestimmt, was es nicht ist, oder
anders ausgedrückt: Die Bestimmung eines Seienden ist immer
Mitbestimmung des Anderen. In einer Aussage bestimmt sich über die zur
Verwendung stehenden Begriffe, was eine Person vor dem Moment ihres
Aussagens sagen will. Eine Bestimmung von etwas ist aber immer auch
Mitbestimmung des Anderen.
In einer Aussage bestimmen die
verwendeten Begriffe also nicht nur dasjenige, was ausgesagt werden
will, sondern auch alles, was gerade nicht im Bedeutungsumfang der
verwendeten Begriffe enthalten ist, also alles, was gerade nicht
ausgesagt werden will. Eine Aussage sagt also nicht nur die Bedeutungen
aus, die den in ihr vorkommenden begrifflichen Bestimmungen zukommen,
sondern immer auch diejenigen Bedeutungen, die ebendiese Bestimmungen
eigentlich ausschließen. Und das sind viele Bedeutungen, welche die
Begriffe in einer Aussage ausschließen. Die Summe der Bedeutungen, die
sich aus den Bedeutungen, welche die Begriffe einschließen, und den
Bedeutungen, welche ebendiese ausschließen, ergeben, kann eigentlich nur
ein Alles bedeuten, und zwar ein Alles in einem streng holistischen,
d.h. ganzheitlichen Sinn: also alles, was in der Vergangenheit jemals
bedeutet werden konnte, zusammen mit allem, was in der Gegenwart
bedeutet werden kann und zusammen mit allem, was die Zukunft zum
Bedeuten erst noch zeitigen muß.
Wenn ich in einer Rede das
Wer-da-redet anzeige, wenn ich das Wer der Rede als »ich« bestimme,
indem ich sage »ich sage«, bestimme ich nicht nur dieses Wer, das sagt,
sondern immer zugleich auch das Andere, das nicht sagt. Ein
versöhnlich-holistischer Gedanke: Wen man fragt, wer da dergleichen
sagt, so sage ich »ich« und bestimme mit diesem Ich zugleich immer auch
das Andere, das solcherlei nicht sagt. Alles andere, was dergleichen
nicht sagt, zusammen mit dem Ich, das solcherlei sagt, ist aber alles,
so daß ich, als ich der Frage nach dem Wer des Gesagten mit »ich«
begegnet bin eigentlich »alles« geantwortet habe. Dergleichen sagt also
nicht bloß ich, dergleichen sagt alles, oder etwas weltennäher
ausgedrückt, dergleichen sagt die ganze Welt. Wenn ich »ich« sage, so
sage ich damit die ganze Welt mit aus. Ich bin also nicht nur ein
modernes Ich, ich bin auch nicht nur eine postmoderne Legion, ich bin
vielmehr alles.
Vor diesem Gedankengang gewinnen auch ältere
Aussagen durchaus einen allgemeinsten besonderen Sinn: »Liebe deinen
Nächsten wie dich selbst.« Man würde vermeinen, gar nicht anders zu
können, als wie dieses Gebot gebietet, wenn man nur darum wüßte, daß das
Ich nicht nur ich und nicht nur Legion, sondern alles ist. Ich und der
nächste sind gleich, denn beide sind wir alles. Doch warum sprechen wir
die Sätze wie »liebe deinen Nächsten wie dich selbst« nicht aus einer
unser Sein fundierenden Erfahrung, daß unser aller Sein allem gemein,
d.h. allgemein ist? Vielleicht weil wir dann gar nichts mehr sagen
würden. Denn unsere Begriffe bestimmen ja nicht nur dasjenige, deren
Bedeutung sie einschließen, sondern auch dasjenige, das sie
ausschließen. Ein Gebot wie »liebe deinen nächsten wie dich selbst«
würde in einer solchen ›holistischen Notation‹ zu der beschwörenden aber
äußerst sinnentleerten Wiederholung »alles alles alles alles alles
alles« gefrieren.
Zumindest in der Sprache fiele alles Sagbare
in eins. Und wenn wir glaubten, daß wir mit diesem Alles-sagen nun
endlich im Sinne einer Korrespondenztheorie der Sprache die wahrhaftige
Sprache gefunden hätten, welche die Wirklichkeit beschreibt, so wie sie
wirklich ist, müßten wir folgern, daß die Welt ebenfalls eins ist.
Was
aber eins ist, kann keine Bestandteile haben, sonst wäre es nicht mehr
eins. Was aber keine Bestandteile hat, kann sich nicht verändern, denn
etwas, das sich ändert, verliert entweder etwas oder gewinnt entweder
etwas hinzu. Das Verlorene aber würde zu einem verlorengegangenen
Bestandteil des Einen und das Hinzugewonnene würde zu einem neuen
Bestandteil desselben Einen. Und was Bestandteile verlieren oder
hinzugewinnen kann, muß entweder im Falle des Verlierens selber aus
Bestandteilen oder wird im Falle des Hinzugewinnens infolge des Gewinns
auch aus ein oder mehreren Bestandteilen bestehen.
Damit also
Veränderung möglich wird, braucht es Bestandteile. Eine Welt, die
Bestandteile hat, ist aber nicht eins, sondern verschieden. Diese
Verschiedenheit ist die Möglichkeitsbedingung der Veränderung. Hannah
Arendt sagt: »Ohne Verschiedenheit […] bedürfte es weder der Sprache
noch des Handelns […]« (S.213). Dennoch bestimmt die Sprache durch ihre
Begriffe nicht nur die von ihnen bedeuteten Bestandteile, sondern immer
auch alle anderen außerhalb dieser Bedeutungen stehenden Bestandteile
mit, denn Bestimmung ist immer Mitbestimmung des Anderen. Immer wenn ich
»ich« sage, manifestiert sich in diesem Sagen-wer-da- sagt bereits das
Alles.
(2010)
VENETIA KANTSA: "DIE LESBISCHE COMMUNITY VON ERESOS" ÜBERSETZUNG/ÜBERTRAGUNG AUS DEM GRIECHISCHEN: MARIA CHRISTEN-KONSTANTINIDIS
Venetia Kantsa (PhD in Sozialanthropologie) ist
Adjunkt Professorin an der Ägäischen Universität. Ihre im Jahr 2010
veröffentlichte Studie "Potentielle Freundinnen – Potentielle
Liebhaberinnen" (Originaltitel: "Δυνάμει Φίλες – Δυνάμει Ερωμένες",
Verlag: Polychromos Planitis) präsentiert die lesbische Community von
Eresos in den neunziger Jahren.
KURZER RÜCKBLICK
ENDE DER SIEBZIGER JAHRE: Eine
lesbische Community entsteht in Eresos (der Geburtsort der
altgriechischen Dichterin Sappho [*zwischen 630 und 612 v. Chr.– †um 570
v. Chr.]). Sie steht in Verbindung mit dem Auftreten einer
separatistischen lesbisch-feministischen Bewegung in den sogenannten
"westlichen Ländern".
Die Notwendigkeit der Existenz eines
Ortes, an dem Frauen zum Ausdruck kommen und erotisch zusammenleben
können, führt zur Bildung der oben genannten Community, die viele
Merkmale der europäischen separatistischen lesbischen Communities trägt.
Dabei spielen die sapphische Dichtung und der wachsende Tourismus auf
den Inseln eine wichtige Rolle.
Die Community von Eresos
differenziert sich aus: Sie ist mit Ferien, Sonne und Meer verbunden,
sie ist eine "saisonale" Community. Verstöße gegen die Privatsphäre
sowie körperliche Gewalt gegen die lesbischen Frauen führen zu
Konflikten zwischen den Community-Mitgliedern und den einheimischen
EinwohnerInnen.
MITTE DER NEUNZIGER JAHRE: Ich komme zum
ersten Mal in Kontakt mit der lesbischen Community von Eresos. Die
narrativen Referenzen auf die Vergangenheit weisen in (mindestens) zwei
Richtungen, eine zyklische oder rituelle und eine lineare. Die erste
verbindet die Gegenwart und die Anfangsjahre der Community mit einer
mythisch-historischen (sapphischen und matriarchalen) Vergangenheit; die
zweite zeigt die Unterschiede zwischen dem Jetzt und dem Damals,
zwischen der kreativen Vergangenheit und der "verfallenen"
(touristisch-kommerzialisierten) Gegenwart an.
In der zweiten
Hälfte der siebziger Jahre ist in Griechenland eine extreme
Politisierung zu beobachten; das Gleiche gilt für die erste Hälfte der
achtziger Jahre. Die Community dient als theoretisch-politische
Plattform. Die neunziger Jahre sind vergleichsweise das Jahrzehnt des
Konsums. Es ist aber auch das Jahrzehnt des Übergangs und des Wandels.
In den neunziger Jahren ist die Community ein Begegnungs- und
Zufluchtsort. Darüber hinaus versteht sich die Community als Ort der
Entwicklungen: Die lesbischen Frauen erheben Anspruch auf die
Geburtsstadt von Sappho und dies nicht nur auf der symbolischen Ebene;
sie besitzen Hotels und Geschäfte in Eresos, andere Frauen lassen sich
dort nieder.
In dieser Zeit entsteht in Griechenland das erste
Gay-Netzwerk "Roz Mov" und es beginnt die Veröffentlichung der zweiten
lesbischen Zeitschrift "Madam Gou". Im Weiteren organisieren die
"Cyberdykes" Parties für Frauen und ein Theaterstück, das den Titel
"Lesbian Blues" trägt, befasst sich zum ersten Mal in der Geschichte des
Landes mit dem Thema "Lesben". Das ist der Beginn einer neuen Zeit, die
einen Höhepunkt in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts erreicht: Es
gründen sich lesbische, bisexuelle, transexuelle sowie Queer-Gruppen; es
finden Pride Parades in Athen sowie diverse künstlerische und
politische Veranstaltungen statt; es erscheinen Publikationen
(Zeitungen, Zeitschriften, Bücher). DAS EIGENE FREMDE: Im Sommer 1994 führte ich eine dreimonatige
Untersuchung über die lesbische Community von Eresos durch. Thema der
Untersuchung: Wie verhalten sich die einheimischen EinwohnerInnen
gegenüber den lesbischen Besucherinnen?
In der ersten Phase, im
Zeitraum von Anfang Juli bis Ende August, verkehrte ich mit Lesben in
ihren Stammlokalen (Bars, Restaurants etc.). In der zweiten Phase führte
ich Interviews mit den einheimischen EinwohnerInnen durch. Die
Interviewten hatten ihren festen Wohnsitz in Eresos oder verbrachten
ihren alljährlichen Urlaub dort. Einige davon waren LadenbesitzerInnen.
Ihre Haltung den Besucherinnen gegenüber war unterschiedlich. Dabei
spielten folgende Faktoren eine entscheidende Rolle: Wie gut die
Interviewten die lesbischen Frauen kannten, wie vertraut sie mit ihnen
waren und in welcher Beziehung sie zu ihnen standen. Es lässt sich
leicht daraus schließen, dass je isolierter die EinwohnerInnen von
Eresos waren, desto zurückhaltender verhielten sie sich. Im Übrigen
verwendeten sie Klischee-Ausdrücke, um die oben genannten Frauen zu
beschreiben.
Das "Fremde" ist das Unbekannte. Das Unbekannte
kann Angst machen und dies aus folgendem Grund: Es passt in keine
(bekannte) Kategorie. Es ist vielleicht doch nicht zufällig, dass ich
mich oft an Diskussionen beteilige, an denen Lesben als
"außergewöhnlich" und (deshalb) "fremd" dargestellt werden. Es sieht
ganz anders aus, wenn die gleichen Diskussionsteilnehmenden über
lesbische Frauen sprechen, die in der Diskussionsgruppe bekannt sind:
Die "Cousine von Kostas" oder die "Kommilitonin von Vasso" werden mit
ihren Namen erwähnt. Im Weiteren wird das Merkmal "lesbisch" nicht
hervorgehoben oder berücksichtigt: Sie werden durch andere Merkmale
beschrieben.
Die "fremde" Verhaltensweise wird negativ bewertet
(...). Aber durch Bilder, Vorstellungen und Wünsche werden neue Kräfte
freigesetzt und neue Perspektiven eröffnet. Die Unterschiede werden dann
kleiner. Die Begriffe kehren sich um: Das "Fremde" wird zum "Eigenen".
Viele
Jahre später, genauer gesagt im Sommer 2010, befand ich mich wieder in
Eresos. Eines Tages war ich mit meinen FreundInnen in einem
Strandrestaurant. Wir warteten darauf, dass ein Tisch frei wurde. Der
Kellner hatte uns informiert, dass eine große Gruppe von Gästen bald
gehen würde. Wir standen 50 Meter entfernt von dieser Gruppe und
warteten. Dabei handelte es sich um Lesben unterschiedlicher Herkunft,
die feierten. Doch ich merkte nicht, dass sie Lesben waren. Und es gibt
eine Erklärung dafür: Ich hatte viel Zeit mit Frauen verbracht, die in
homosexuellen Beziehungen lebten, ich war diesen Frauen jahrelang
"ausgesetzt" (...).
(2010)
"CHORA"(MEDIALES BEISPIEL) TEXT: MARIA CHRISTEN-KONSTANTINIDIS
HENRICH HEINE ZUR ZEIT DER WINTERREISE (1843/1844). AUTOR: ISIDOR POPPER. WIKIMEDIA COMMONS, PUBLIC DOMAIN.
PROJEKTINFORMATIONEN: Die Projektgruppe besteht aus
Ines Bauer und Maria Christen-Konstantinidis. Mediale Arbeit, Zürcher
Hochschule der Künste (ZHdK).
INHALT: Im sechsten Kapitel des
Werkes "Deutschland. Ein Wintermärchen" erscheint Heines schattenhafter
Begleiter/Dämon/Liktor und wartet auf ein Zeichen, um die revolutionären
Ideen des Dichters in die Tat umzusetzen: "Ich bin die Tat von deinen
Gedanken." Unter dem Mantel hält er ein Richtbeil. Es folgt eine
Diskussion zwischen den beiden.
BEGLEITMUSIK: Robert Schumann, Klaviersonate F-Moll, Opus 14.
VERTONUNG: Die
Melodie entlehnen wir Hildegard von Bingens Lied "O Euchari in Leta
Via".
STIMME 1: Maria Christen-Konstantinidis. Chora, semiotische
Ordnung, semiotisches Subjekt, Genogesang.
THETISCHE
PHASE: Der Einschnitt in den Prozess der Sinngebung (der thetische
Einschnitt wird durch das Beil/Messer symbolisiert).
PHÄNOGESANG/GENOGESANG: Der Phänogesang bezieht sich auf die Struktur der gesungenen Sprache, der Genogesang auf ihre Diktion.
CHORA:
Der Ort, an dem Körpererfahrung und Sprache Bedeutung erzeugen. Chora
ist Voraussetzung und Folge des Prozesses der Sinngebung; Chora ist der
Geburtsort für das Subjekt und gleichzeitig der Ort seiner Negation. Als
Teil des Semiotischen (der natürlichen Trieborganisation) führt Chora
das Kind/Subjekt in das Symbolische (in die sprachliche Organisation);
dies vollzieht sich durch und mit dem thetischen Einschnitt. In der
künstlerischen Praxis wird die semiotische Chora wieder aufgenommen,
damit die symbolische Ordnung überschritten werden kann (der subversive
Aspekt der Kunst). Die Kunst besteht darin, dieses Thetische "zweiten
Grades" zu überschreiten und es dennoch nicht aufzugeben. Zeichen und
Bedeutungen können auf diese Weise neu hergestellt werden.
LITERATUR: 1. Roland Barthes: "Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn", Edition Suhrkamp. 2. Heinrich Heine: "Deutschland. Ein Wintermärchen", Reclam Verlag. 3. Julia Kristeva: "Die Revolution der poetischen Sprache", Edition Suhrkamp. 4. Silvia Pritsch: "Die Rhetorik des Subjekts", Transcript Verlag.
(2009)
ANNA MIHOPOULOU: "THE GREEK WOMEN‘S MOVEMENT IN SPACE AND TIME*" (STUDIE) ÜBERSETZUNG AUS DEM ENGLISCHEN: MARIA CHRISTEN-KONSTANTINIDIS
Anna Mihopoulou (M.A. in Women's Studies, Universität
York) ist Forscherin, Lektorin, Schriftstellerin und Gründungsmitglied des
Frauenarchivs "Delfys".
(Auszug)
1974
Nach dem Sturz der
Militärdiktatur herrschte ein Klima intensiver Politisierung. Die
griechische Frauenbewegung blühte auf. Die Frauenorganisationen, die
damals entstanden, unterhielten Beziehungen zu linken Gruppierungen. Die
Zahl der aktiven Gewerkschafterinnen wuchs.
Die
Frauenorganisationen kämpften gegen die Geschlechterrollenpolitik der
rechten Regierung. Ihre Forderungen betrafen hauptsächlich die Änderung
des Familienrechts. Zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen wurde
eine Frist von sieben Jahren angesetzt. Aus diesem Grund, und auch
wegen des für das Jahr 1981 geplanten Eintritts Griechenlands in die
Europäische Gemeinschaft, begannen 1975 die Arbeiten zur Änderung des
Familienrechts. Zu diesem Zweck setzte die griechische Regierung eine
Expertenkommission ein. Im Umfeld des sogenannten "Koordinationskomitees
der Frauenorganisationen"/SEGES, entstanden 1976, verlangten -und
großenteils erreichten- Frauenorganisationen ein Mitspracherecht vor
allem bei der Zusammensetzung der Expertenkommission, aber auch bei den
ausgearbeiteten Stellungnahmen. Die Frauenorganisationen waren aktiv:
1977/78 protestierten sie beispielsweise gegen den vorgeschlagenen
Wehrdienst für Frauen.
Die drei größten Frauenorganisationen der
Zeit entsprachen den drei größten Parteien der parlamentarischen Linke.
Kurz nach dem Sturz der Militärdiktatur schlossen sich die linken
Frauen in der "Demokratischen Frauenbewegung"/KDG zusammen, einer Art
Dachorganisation. Anhängerinnen der sozialistischen Partei PASOK
gründeten dann 1976 eine separate Organisation, die "Griechische
Frauenföderation"/OGE. Die Frauen, die aus der KDG nicht austraten,
verbanden sich mit der eurokommunistischen Partei KKE-ES. Unter diesen
Organisationen war die OGE heftig antifeministisch und mobilisierte ihre
Mitglieder für die Interessen der KKE. Der "Verein der griechischen
Frauen"/EGE, geführt von Andreas Papandreou amerikanischer Frau
Margaret, zeigte sich am Anfang vorsichtig und wurde erst besonders
aktiv, kurz bevor PASOK 1981 die Regierungsgewalt erlangte. Die KDG
erwies sich dem Feminismus und der Idee einer autonomen Frauenbewegung
gegenüber offener.
Weniger bekannt, aber sehr bedeutend für die
Entwicklung der Frauenbewegung Griechenlands, war eine andere
Organisation: die "Bewegung zur Befreiung der Frau"/KAG. In dieser
Organisation, die 1975 gegründet wurde, schlossen sich einige Frauen
zusammen, die aus linken Parteien ausgetreten oder Mitglieder
antidiktatorischer Organisationen waren, nach dem Sturz der
Obristenjunta aber keiner Partei beitraten, dazu einige Trotzkistinnen,
Anarchistinnen usw. Der politische Radikalismus dieser Frauen gab Anlass
zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und denjenigen, die
u.a. den hierarchischen Charakter der parteiverbundenen
Frauenorganisationen akzeptierten. Die Feministinnen der KAG zeigten
zwar großes Interesse am antikapitalistischen Kampf, sie waren jedoch
der Meinung, dass die Befreiung des weiblichen Geschlechts ein
besonderes Engagement von Frauen verlangt.
Die Frauen der KDG
und KAG arbeiteten in mehreren Angelegenheiten zusammen. Die Themen, mit
denen sie sich befassten, betrafen hauptsächlich die weibliche
Sexualität und die reproduktive Funktion der Frau. Beeindruckend war der
Protest, den sie 1978 gegen Schönheitswettbewerbe organisierten.
Anlässlich des Internationalen Frauentages 1980 organisierten Frauen der
KDG und KAG sowie Gruppen von Studentinnen eine erste öffentliche
Versammlung, die von entscheidender Bedeutung für die später bekannt
gewordene "Autonome Frauenbewegung" Griechenlands war. Es war auch die
Zeit der Schulreformen. Die Hochschulstudentinnen und Hochschulstudenten
protestiertierten gegen diese Reformen und veranstalteten Sitzstreiks
("sit-ins"). In diesem politischen und sozialen Umfeld erschienen zum
ersten Mal subversive Ideen der westlichen Gesellschaften der späteren
siebziger Jahre, was auch zur Verbreitung feministischer Ideen der neuen
Welle wesentlich beitrug. Diese feministischen Ideen fanden besonderen
Anklang bei den Studentinnen. An der Universität, in den Arbeitsstätten,
in den Nachbarschaften der Hauptstadt und anderer Städte entstand eine
Vielfalt kleiner Frauengruppen. Für ihre Mitglieder war
"consciousness-raising" sehr wichtig. Sie wählten diese Art politischer
Organisation, die nicht nur die Entwicklung weiblicher Ideen erlaubte,
sondern auch Opposition betrieb und die herrschende Männerpolitik in
Frage stellte. In solchen Gruppen also analysierten die Frauen die
besonderen Aspekte der weiblichen Unterdrückung. Sie arbeiteten in einem
losen Netzwerk und organisierten Versammlungen, Diskussionen, Proteste.
Die Männer waren nicht immer ausgeschlossen, ein Teil dieser
Aktivitäten aber richtete sich ausschließlich an Frauen. Für ihre
Zusammenkünfte und Aktivitäten benutzten sie Privathäuser, spezielle
Treffpunkte, die sie in der Nachbarschaft oder an der Universität
einrichteten, Frauenhäuser in Athen, Thessaloniki und Ioannina sowie
zwei Frauenbuchläden und ein "Kafenion" (Café) in Athen. Sie
beanspruchten einen eigenen Platz in der Öffentlichkeit, verteilten
Flugblätter, gaben zahlreiche Zeitungen, Zeitschriften und andere
Publikationen heraus und sie ließen oft ihre Meinung durch die Presse
bekannt machen. Von großer Bedeutung waren ihre Protestmärsche gegen
Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen -ein Teil dieser Protestmärsche
fand statt, als es dunkel war. Sie forderten das Recht der Frauen, sich
frei bewegen zu können. Zu jeder Zeit. An jedem Ort. (Ihr Slogan
lautete: "Das Recht in der Stadt, in der Nacht".) 1983 startete eine
andere Kampagne für die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches.
Diese Kampagne führte eine neue Organisation, die sich charakteristisch
"Autonome Bewegung der Frauen" nannte. Wenn sich die Gelegenheit ergab,
mobilisierten sich die autonomen Frauen zur Unterstützung derjenigen,
die Opfer sexueller Gewalt waren, sie konfrontierten sich mit der
oppressiven Staatspolitik, sie denunzierten den Sexismus der Medien
usw.
Die sozialistische Regierung, die 1981 an die Macht kam,
förderte den sogenannten "Staatsfeminismus". Die Frauenorganisation EGE,
der sozialistischen Partei verbunden, dehnte sich über das ganze Land
aus. Während dieser Jahre änderte sich die Gesetzgebung Griechenlands:
1982 wurde die Ziviltrauung eingeführt. Das neue Familienrecht von 1983
beruht auf der Gleichheit zwischen Ehemann und Ehefrau,schafft die
Mitgift ab, anerkennt die Rechte der außerehelichen Kinder und führt die
einvernehmliche Scheidung ein. Außerdem sieht das Gesetz aus dem Jahr
1984 die Vergewaltigung als Verbrechen gegen die geschlechtliche
Freiheit an und es legalisiert 1986 die Abtreibung. Aus
(frauen)rechtlicher Sicht war die neue Gesetzgebung Griechenlands eine
der fortschrittlichsten. Wie auch in anderen Ländern wurden die
Frauenforderungen erfüllt und die Frauenbewegung sowie die anderen
politischen Bewegungen lösten sich auf. Viele der Reformen konnten sich
jedoch in der Praxis nicht durchsetzen und Gesetzesverstöße blieben
ungeanhdet.
Einige Frauen begannen, sich mit der feministischen
Forschung auseinanderzusetzen. Unter ihren Arbeiten finden wir Studien
über frühere Phasen des griechischen Feminismus sowie Studien über
bestimmte Aspekte der Geschlechterverhältnisse und über die Stelle der
Frau in der modernen griechischen Gesellschaft. An der Universität
Thessaloniki bildete sich ohne formalen Auftrag eine Gruppe für
Frauenstudien. Auch an anderen Universitäten wurde später das
Studienfach "Frauenstudien" eingeführt.
Aber die Entwicklung der
feministischen Analyse erfordert umfassende interdisziplinäre
Recherchen sowie die Verarbeitung einer Methode, die erlauben würde, die
charakteristischen Aspekte der griechischen Realität zu beschreiben.
Wir brauchen beispielsweise eine gründliche Studie über die Formen der
Familienstruktur in Zusammenhang mit den sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Mustern in Griechenland. Die griechische soziale und
historische Forschung ist aufgrund der turbulenten nationalen und
politischen Geschichte des Landes besonders mangelhaft; ähnlich -wenn
nicht schlimmer- ist die Forschungslage in den Balkan- und
Mittelmeerländern, so dass eine wertvolle komparative Analyse unmöglich
ist.
Griechenland liegt an der Peripherie der anerkannten
Zentren neuer Theorien und moderner Politik. Aber wenn wir dem aktuellen
multikulturellen Trend der feministischenTheorie folgen wollen, müssen
wir den Schwerpunkt der feministischen Forschung verlagern -oder, besser
noch, verschiedene Schwerpunkte bestehen lassen. So etwas wäre nicht
nur für jene, die an der "Peripherie" leben, sondern auch für die
anderen, die das "Zentrum" besetzen äußerst nützlich.
Heute
werden wir durch Werbung und Medien mit neuen Versionen von
Gender-Stereotypen bombardiert, und es gibt verschiedene Ideologien, die
Purismus, Segregation und Intoleranz fördern. Für eine neue,
alternative und befreiende Politik ist die Anerkennung der Polymorphie
der sozialen Phänomene notwendig. Und ich glaube, dass das Studium der
Geschichte der Frauenbewegung dazu beitragen kann.
April 1994
*Veröffentlicht durch: Polytechnikum von Athen ("Women in Public Space. Experiences from North and South").
(1999)
INTERVIEW MIT KOSTAS NIKOLOPOULOS UND ARIS SIDIROPOULOS ÜBERSETZUNG AUS DEM GRIECHISCHEN: MARIA CHRISTEN-KONSTANTINIDIS
Kostas wuchs in Eleofyton auf, ein Dorf in der
Präfektur Messenien, südwestlich von Peloponnes, das -gemäß eigenen
Angaben- ca. 100 Einwohner zählt. In der Gemeinde Pylos, 10 km entfernt
von Eleofyton, schloss er die Schule mit dem Abitur ab. Es folgten
Wehrdienst, eine Kochlehre und die Auswanderung in die Schweiz. Er
arbeitete in verschiedenen Restaurants und absolvierte die DCT Schule
(International Hotel & Business Management) in Luzern. Der Chefkoch
lebt seit 5 Jahren in Zürich.
Aris wuchs in der Großstadt Thessaloniki auf, wo er
auch die Schule mit dem Abitur abschloss. Anschließend absolvierte er
eine Ausbildung zum nautischen Schiffsoffizier. Er arbeitete zunächst im
erlernten Beruf. Später gründete er eine Firma, die sich mit der
Schädlingsbekämpfung im Lebensmittelbereich beschäftigte. Parallel
begann er ein Studium an der Hochschule für Agrarwissenschaften, das er
jedoch nicht beendete. Aris kam vor ca. 5 Jahren nach Zürich, um ein
Projekt zu realisieren: Die Gründung eines griechischen Gourmet Fast
Foods. SCHWEIZERISCHE UND GRIECHISCHE ESSKULTUR: WELCHE ÄHNLICHKEITEN UND UNTERSCHIEDE, KONTRASTE UND PARALLELE STELLT IHR FEST? Kostas: Hektik,
Stress und Fertignahrung dominieren den Alltag in den Großstädten; dies
gilt sowohl für Griechenland als auch für die Schweiz. Die
GroßstädterInnen stillen ihren Hunger mit Kanapees, Tapas, Mezedes. Beim
Essen genießen die GriechInnen in erster Linie den Austausch mit
anderen Leuten. Was die SchweizerInnen betrifft, gilt Folgendes:
Geselligkeit und Genuss gehören untrennbar zusammen.
Für die
GriechInnen ist Brot ganz wichtig: Sie konsumieren große Mengen davon,
was man von den SchweizerInnen nicht behaupten kann. Diese Gewohnheit
kommt aus der Vergangenheit: Im Zweiten Weltkrieg herrschte Hungersnot;
Brot war am einfachsten zu bekommen.
Im griechischen Haushalt
wird zu viel eingekauft (d.h. mehr als die Familienmitglieder brauchen
bzw. konsumieren), eine Gewohnheit die auf folgende Tatsache
zurückgeführt werden kann: Griechenland war und ist ein sehr fruchtbares
Land: Gemüse, Obst, Käse, Öl, Wein etc. gab und gibt es im Überfluss.
Die SchweizerInnen sind durch ein konservatives Kaufverhalten
gekennzeichnet. Dieses Kaufverhalten lässt sich folgendermaßen
begründen: Produkte wie z.B. Tomaten und Zitronen waren in der
Vergangenheit unerschwinglich. Die griechische Küche ist bekannt und
beliebt. Die Schweiz hat keine eigenständige Küche. Die schweizerische
Esskultur ist im Gegensatz zur griechischen Esskultur offen für fremde
Einflüsse.
Aris: Ich vertrete die Meinung, dass Esskultur und
Zivilisation zusammengehören. Die neugriechische Küche spiegelt in
ihrer Vielfalt die kulinarische Vergangenheit des Landes. Im antiken
Griechenland experimentierten die Menschen mit verschiedenen
Geschmacksrichtungen und entwickelten eine eigene Kochkunst. Alan Coxon
z.B. ist ein britischer Koch, der sich mit altgriechischen Rezepten
befasst und Essig auf die altgriechische Art herstellt.
Die
Esskultur Griechenlands war bis heute wenig bekannt, einerseits aufgrund
der "Introvertiertheit" unseres Landes, andererseits aufgrund der
fehlenden Organisationsstrukturen. Ziel des neugegründeten Amtes für
Exportförderung* ist es, die griechische Esskultur im Ausland bekannt zu
machen. Zu diesem Zweck wurde ein Team aus griechischen
SpitzenköchInnen gebildet, die im Ausland wirken. Was das
Kaufverhalten der GriechInnen betrifft, schließe ich mich Kostas Meinung
an, ich möchte jedoch hinzufügen, dass in den letzten Jahren die
GriechInnen bewusster und viel gesünder einkaufen und dass das Essen für
sie ein groβer und -immer noch- günstiger Genuss ist. Sie essen im
Gegensatz zu den SchweizerInnen meistens in Gesellschaft.
Eine schweizerische Küche gibt es ohne Zweifel, sie ist jedoch nicht so vielfältig und eigenständig wie die griechische.
TENDENZEN UND TRENDS DER SCHWEIZERISCHEN UND GRIECHISCHEN GASTRONOMIE.
Kostas: Einige Berufe sind aufgrund der Wirtschaftskrise nicht mehr gefragt. Ein Beispiel hierfür ist der Beruf des Sommeliers.
Aris: Die
schweizerische Küche kombiniert heute Einflüsse aus der ganzen Welt.
Diese "globalisierende" Tendenz ist auch in Griechenland zu beobachten.
Es handelt sich möglicherweise um eine allgemeine Tendenz unserer Zeit.
WAS HÄLT IHR VON BIOLOGISCHEN PRODUKTEN?
Kostas: Ich
persönlich kaufe keine Bio-Produkte und dies aus folgenden Gründen: In
den meisten Fällen handelt es sich um Produkte aus integrierter
Landwirtschaft; oder es handelt sich um zertifizierte, jedoch qualitativ
minderwertige Bio-Produkte.
Aris: Es gibt zwar noch keine
beispielhaften Verbände wie "Demeter" in unserem Land, ich bin jedoch
der Meinung, dass die griechischen biologischen und biodynamischen
Verbände nicht zu unterschätzen sind. Zudem steigt die Nachfrage nach
Bio-Produkten in Griechenland. Immer mehr KonsumentInnen kaufen
qualitativ hochwertige Lebensmittel. Darüber hinaus gibt es viele
Bauern/Bäuerinnen, die auf biologische Landwirtschaft umstellen. Viele
Anzeichen deuten darauf hin, dass sich ein ökologisches Bewusstsein zu
entwickeln beginnt.